Sunday, June 8, 2008

Hammelburg Tag 5: Geisel der Menschheit

Okay, wir wussten ja, dass es passiert - in unserem Stundenplan steht heute: Verhalten in Stress-Situationen. Und diese Stress Situation lautet: Geiselnahme! Klar, nur ein Spiel, aber kein sehr entspanntes.
Wir fahren im Reisebus, auf einmal stürmen acht Maskierte mit Pazerfaust und Machinengewehr den Bus, wir kriegen die Augen verbunden und verbringen die nächsten vier Stunden an der Grenze bundeswehlicher Belastung: Stundenlanges Knien in furchtbar unbequemer Position, dazu röhrt tibetanischer Kehlkopfgesang auf Dauer-Repeat vom CD-Player. Wo sind wir? Wo sind die anderen Journalisten? Was wollen diese Menschen? Nach ca 2 Stunden Ungewissheit zerren mich die Kidnapper zum Verhör mit dem Klan-Chef "Wujev" - er hört klassische Musik und brüllt in Akzent-Englisch fies herum. Als ich seine Fragen nicht beantworten kann ("is the SDF a good or a bad army?") stellt er mich an die Wand, keine Erschießung, aber sitzen in einer extrem unbequemen Position. Dann lässt er mich - H.M. Schleyer-Style - eine Erklärung in eine Kamera verlesen, dass die UN Frauen vergewaltigt. Nach 15 Minuten mit diesem brüllenden Scheusal unterschreibt man alles.
Nach dem Verhör bin ich fix und fertig, diese Aggression, diese Willkür sind unfassbar. Zur weiteren Demoralisierung werde ich nach 45 Minuten wieder aus dem Gefängnis herausgeführt und muss mit einem kleinen Löffel Sand in eine Plastikflasche füllen. Jede Frage nach dem Sinn dieser Aktion wird mit einem "Shut the fuck up!!" und einer in den Nacken gedrückten Waffe beantwortet. Gut, keine weiteren Fragen. Ich fange langsam an, eine völlige Leere in meinem Kopf zu spüren, meine Gedanken werden immer schwerer zu fassen. Psycho-Terror, der trotz der Simulation seine Wirkung nicht verfehlt. Nach 4 Stunden werde ich aus dem Gefängnis herausgezerrt, muss mich mit gesenktem Kopf und hinter dem Nacken verschränkten Händen aufstellen - Hinrichtung? Nein, Spielende. Als unser Hörsaal-Feldwebel (!) die Übung beendet, blicke ich in verzweifelte Gesichter meiner neben mit aufgereihten Journalistenfreunde- sowas geht an keinem Spurlos vorbei.
Zur Stärkung gibt es serbisches Reisfleisch - ich schlinge zwei große Teller in mich hinein. Essen. Leben. Wahnsinn.
Großes Gelächter gibt es dann später, als wir im Hörsaal die Videos unserer Entführung anschauen: Unser Klassen-Adonis Gordon antwortet beim Verhör auf die Frage nach seinem Namen wahrheitsgemäß mit: My name is Gordon Philipp John-Uwe Alexander Repinski. Ein Name, der eindeutig zu lang für einen Kidnapper ist. Da musste sogar der fiese Geiselnehmer sein Lachen verkneifen...

Interessanter Artikel aus der Springer-Zeitung "Die Welt" zum Hammelburg Seminar hier:

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