Wednesday, June 11, 2008

Robert Rauschenberg



Zur Zeit läuft im Münchner Haus der Kunst eine große Rauschenberg Ausstellung. Ich bin ja ziemlicher Fan, vor allem vom Erased Painting, in dem Rauschenberg ein De Kooning Bild wegradiert und das (fast) leere Bilde als sein eigenes Ausstellt (Video hier, Informationen hier) gehört zu meinen Lieblingskunstwerken. Als Robert Rauschenberg vor einigen Wochen starb, bin ich mit dem Fahrrad am Haus der Kunst vorbei gefahren - ich meine mich zu erinnern, dass die Flaggen auf Halbmast hingen.

Die aktuelle Ausstellung befasst sich mit Rauschenbergs Reisen in den Jahren 1970-76: Venedig , Israel, Ägypten (dort war er nur in seiner Phantasie). Seine Objekte stehen frei im Raum, keine Gitter, Absperrungen etc. behindern die Betrachtung. Toll gemacht. Hightlight: Die "early egyptians" (Kartonskulpturen mit Sand, die wie Steine aussehen und auf der Rückseite mit Neonfarben bemalt sind - dadurch entstehen farbige Schatten an der Wand).

Spontane Wertung: 4 von 5 Sternen, und zwar nur deshalb, weil der Film zur Ausstellung ziemlich fad war (und zudem in recht schlechter Bild- und Tonqualität). Ansonsten aber: Hingehen! Die Austellung läuft noch bis zum 14.9.

Sunday, June 8, 2008

Hammelburg Nachtrag

Wieder zuhause, in Sicherheit, keine Minen in München, Scharfschützen auch eher selten.
Was die Odysee zur Bundeswehr gebracht hat?
Hier jedenfalls die Eindrücke von Timo (Vanity Care) und Malte (Nerd it yourself). Lesenswert!

Zunächst mal Einblicke in eine völlige Parallelwelt: Aufstehen um 6h, immer vollverpflegt, grenzwertiger Humor, tolle Wortschöpfungen (Knallschaden, zentraler Meldekopf, Beschussgarten...), Menschen mit dem Aussehen von Männern und den Sprüchen kleiner Jungs.
Hier einige Beobachtungen, unsortiert und assoziativ:
  • Im Lob- und Tadelbuch (sic!) der Kantine steht: " Lob für das gute Blaukraut. Ohne Mampf kein Kampf"
  • Die Puppe, an der wir die "Versorgung Verwundeter" üben sollen, trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Ambu-Man". Klingt wie ein von der Krankenkasse (oder vom ADAC) erfundener Superheld
  • Im Ort Hammelburg steht ein tiefergelegter Opel mit verdunkelten Scheiben, auf dessen Windschutzscheibe ein großer Aufkleber der "Böhsen Onkelz" pappt. Auf der Beifahrertür steht in Frakturschrift "Mandy", auf der Fahrertür "André". Soviel Klischee wäre keinem Drehbuchautor erlaubt.
  • Auf einem Flyer, der überall in der Kaserne ausliegt, wird Werbung für eine Party in der lokalen Dorf-Disko gemacht. Attraktion: Saufspiele an der 3-Liter Ölch Machine. Wohlsein! Dazu Cover-Rock.
  • Ein örtlicher Schnapsbrenner wirbt im Haus des "Zentralen Meldekopfs"
    mit Flachen in Penisform:




  • Bundeswehr- und Journalistenhumor werden erst nach etlichen Bieren halbwegs kompatibel. Zum Beispiel als ein schnauzbärtiger Oberfeldsonstwas gegen Mitternacht völlig betrunken in das Unteroffiziersheim kommt (wir haben dort am letzten Abend gegessen), um uns Journalisten verwundert zu fragen, ob unsere Zunft denn kein eigenes Lied habe. "Was seid ihr denn für eine Truppe, ohne Lied?", fragt der Mann mit der Lederhaut und der Kurt Beck Frisur. Und stimmt sein Lied von der Infantrie an, die ihre Feinde dem Boden gleich macht. Für uns schlägt er spontan das Lied "Presse Presse Uffta Uffta" vor. Nun ja.

Hammelburg Tag 5: Geisel der Menschheit

Okay, wir wussten ja, dass es passiert - in unserem Stundenplan steht heute: Verhalten in Stress-Situationen. Und diese Stress Situation lautet: Geiselnahme! Klar, nur ein Spiel, aber kein sehr entspanntes.
Wir fahren im Reisebus, auf einmal stürmen acht Maskierte mit Pazerfaust und Machinengewehr den Bus, wir kriegen die Augen verbunden und verbringen die nächsten vier Stunden an der Grenze bundeswehlicher Belastung: Stundenlanges Knien in furchtbar unbequemer Position, dazu röhrt tibetanischer Kehlkopfgesang auf Dauer-Repeat vom CD-Player. Wo sind wir? Wo sind die anderen Journalisten? Was wollen diese Menschen? Nach ca 2 Stunden Ungewissheit zerren mich die Kidnapper zum Verhör mit dem Klan-Chef "Wujev" - er hört klassische Musik und brüllt in Akzent-Englisch fies herum. Als ich seine Fragen nicht beantworten kann ("is the SDF a good or a bad army?") stellt er mich an die Wand, keine Erschießung, aber sitzen in einer extrem unbequemen Position. Dann lässt er mich - H.M. Schleyer-Style - eine Erklärung in eine Kamera verlesen, dass die UN Frauen vergewaltigt. Nach 15 Minuten mit diesem brüllenden Scheusal unterschreibt man alles.
Nach dem Verhör bin ich fix und fertig, diese Aggression, diese Willkür sind unfassbar. Zur weiteren Demoralisierung werde ich nach 45 Minuten wieder aus dem Gefängnis herausgeführt und muss mit einem kleinen Löffel Sand in eine Plastikflasche füllen. Jede Frage nach dem Sinn dieser Aktion wird mit einem "Shut the fuck up!!" und einer in den Nacken gedrückten Waffe beantwortet. Gut, keine weiteren Fragen. Ich fange langsam an, eine völlige Leere in meinem Kopf zu spüren, meine Gedanken werden immer schwerer zu fassen. Psycho-Terror, der trotz der Simulation seine Wirkung nicht verfehlt. Nach 4 Stunden werde ich aus dem Gefängnis herausgezerrt, muss mich mit gesenktem Kopf und hinter dem Nacken verschränkten Händen aufstellen - Hinrichtung? Nein, Spielende. Als unser Hörsaal-Feldwebel (!) die Übung beendet, blicke ich in verzweifelte Gesichter meiner neben mit aufgereihten Journalistenfreunde- sowas geht an keinem Spurlos vorbei.
Zur Stärkung gibt es serbisches Reisfleisch - ich schlinge zwei große Teller in mich hinein. Essen. Leben. Wahnsinn.
Großes Gelächter gibt es dann später, als wir im Hörsaal die Videos unserer Entführung anschauen: Unser Klassen-Adonis Gordon antwortet beim Verhör auf die Frage nach seinem Namen wahrheitsgemäß mit: My name is Gordon Philipp John-Uwe Alexander Repinski. Ein Name, der eindeutig zu lang für einen Kidnapper ist. Da musste sogar der fiese Geiselnehmer sein Lachen verkneifen...

Interessanter Artikel aus der Springer-Zeitung "Die Welt" zum Hammelburg Seminar hier:

Thursday, June 5, 2008

Hammelburg Tag 4: Blei in die Heide



Heute wird geschossen und explodiert. Um “Gefechtseindrücke zu gewinnen” fahren wir auf eine Sprengplatz (nicht zu verwechseln mit dem Beschussgarten”) und Menschen sprengen Dinge in die Luft. Wir haben Helme auf und knien im Bunker, als 5 Kilo TNT vor uns in die Luft fliegen – laut! Ich finde im Schützengraben einen abgerissenen Schmetterlingsflügel. Klischee! Danach wird ber uns drüber geschossen – ein Scharfschütze ballert einen Luftballon aus ca. 2000000 km entfernung punktgenau weg. Danach schwärmt er von seinem selbstgemachten Tarn-Umhang. So richtig einordnen kann ich das nicht.
Nachmittags dann die erste Entführung – wir fahren im Kleinbus, ein paar Typen mit Waffen ziehen uns aus dem Auto und fordern 8000 $ Wegzoll. Ich will nicht zuviel verraten, aber: schaurig! Wir knien im Wald auf dem Boden und es fängt an zu schütten (neben uns liegt ein abgehackter Plastikarm im Gras).
Gesitig und körperlich verschmutzt (aber frisch gewaschen) gehen wir abends in Offizierscasino, bestellen von einer pastellfarbenen Speisekarte Lasagne und trinken Weissweinschorle. Morgen kommt ja die schlimme Geiselnahme, da will man fit sein.

Tuesday, June 3, 2008

Hammelburg Tag 3: Gute Mine, böses Spiel

Thema heute: Mine Awareness. Wir schauen tief in die Abgründe der menschlichen Seele: Landminen, die bunt aussehen, Menschen Stahlsplitter in die Beine jagen und Kindern die Arme abreissen. Sie sollen extra NICHT töten, sondern "Truppen binden", also Soldaten verwunden, denn dann müssen sich andere Soldaten um sie kümmern müssen. Wo man überall Minen verstecken kann. Wir lösen versteckte Drähte aus, Knallbumm, alle tot. Verdammt.

Hammelburg Tag 2: Beton Okay, Sandsack Super

Aufstehen um 6.20 Uhr. Unterricht von einem Hörsaaloffizier. Was tun im Krieg, Herr Hörsaaloffizier? In Deckung gehen, wenn es knallt. Irgendwie mag ich den Typen. Der erste Mensch von der Bundeswehr, der mir sympathisch ist. Er benutzt tolle Worte wie „Informationsaufsaugungsarbeit“ oder „Knallschaden“ und ich denke: Ab ins Feuilleton damit!

Nach dem Mittagessen dann Ausflug in das Militär-Übungsdorf „Bonnland“. Früher haben dort Menschen gewohnt, jetzt steht es leer und dient als Kulisse für Panzer- und Patronen-Spielchen. Wir lernen in einem sogenannten „Beschussgarten“ die Wirkung von Geschossen kennen (Beton okay, Sandsack super) und stellen fest wo man überall Sprengstoff verstecken und auslösen kann: Mit Lichtschranke auf Treppen, als Handgranate mit Stolperdraht, unter dem Teppich, in einem Kugelschreiber, sogar in einem Plattenspieler. Es gibt auf diesem Truppenübungsplatz eine Art Haus des Horrors, in dem die ganzen Explosionsauslösetricks ausgestellt sind. Besonders krass: Ein Bild hängt schief an der Wand, man will es gerade aufhängen. Ein Zünder wird ausgelöst. Bumm. Krass.

Dann gehen wir mit Helm und Kevlar-Weste in das Kampfdorf und üben, wie man sich verhält, wenn auf einen geschossen wird: Auf den Boden! Bei Explosion: Mit den Füßen Richtung Explosionsquelle, Hände über den Kopf und Mund aufmachen (!). Sonst platzt die Lunge.
Im Dorf dürfen junge Bundeswehrsoldaten in die Rolle der Dorfbevölkerung schlüpfen – sie spielen besoffene Penner, vor denen ich Reißaus nehme, junge Dorfkicker, die erst festgenommen und dann von Scharfschützen erschossen werden. Wir müssen einmal durch das Dorf laufen. Und immer wieder wird auf uns geschossen – runter auf den Boden, oder hinter die Mauer, ach nee, doch nicht, da liegt ja eine Mine. Eine Party zu der wir eingeladen werden, entpuppt sich als Selbstmordbomber-Falle und unsere ganze Journalistentruppe stirbt 1000 theoretische Tode.

Hammelburg Tag 1: Zentraler Meldekopf



Ankommen in der Kaserne, wir müssen uns beim sogenannten „Zentralen Meldekopf“ melden. Dort sitzt ein älterer Mann und gibt mir Unterlagen, „zum Durchkämpfen“ . Bundeswehr, ein Ort der Komik? Die Auswahl der Leih-DVDs ist jedenfalls passend: Neben „The Art of War“ oder „Sniper“ gibt es auch „Traumschiff Surprise“. Wir wohnen in einer Kaserne, Panzer überall, Menschen mit kurzen Haaren und Uniform. Abendessen beim Italiener außerhalb der Kaserne, dort ist Weinfest. Die Band spielt den Ententanz und die Bedienung in der Pizzeria ist so perplex von der Spendabilität unserer Gruppe (wir haben jeder ca 1 Euro Trinkgeld gegeben), dass sie uns einen Schnaps ausgibt. Abends schlafe ich in Bettwäsche ein, auf der "Bund" steht. Alles muss beschriftet sein.

Hammelburg Intro

Mit der Journalistenschule kommt man rum. Zum Beispiel in das Seminar Krisen- und Kriegsberichterstattung. In einer Kaserne im bayerischen Nirgendwo (Hammelburg) sollen wir lernen, wie man Gewehrsalven entkommt, mit Bewohnern zerbombter Dörfer redet und dabei stets objektiv die Krisen der Welt ethisch einwandfrei begleitet.